Verhaltenstherapie in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen bei Angststörungen

Die Rolle der kognitiven Verhaltenstherapie in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen bei Angststörungen – Ein Interview mit Hauptautorin Tessa Reardon 

Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen werden meist mit Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie behandelt. In diesem kurzen Interview erzählt uns Hauptautorin Tessa Reardon von ihrem kürzlich veröffentlichten Cochrane Review zum Thema.

Was verrät uns dieser Cochrane Review über die Rolle der kognitiven Verhaltenstherapie für Kinder und Jugendliche bei Angststörungen?

Unser Review zeigt die wichtige Rolle auf, die die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) bei der Behandlung von Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen spielt. Die KVT ist die Behandlungsmethode, die bisher am Häufigsten für diese Art der Störungen evaluiert wurde. Tatsächlich umfasst dieser Review 88 Studien, mehr als doppelt so viele Studien wie im vorherigen Cochrane Review zum Thema. Ermutigend ist, dass unsere Ergebnisse frühere Schlussfolgerungen bestätigen: Die KVT ist zur Behandlung von Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen wirksamer als reines Abwarten („keine Behandlung“).  Wir haben keine Evidenz dafür gefunden, dass die KVT anderen Behandlungsmethoden überlegen ist. Allerdings haben nur wenige Studien die KVT mit alternativen Behandlungsmethoden verglichen, deshalb können wir darüber nicht viel sagen. Der Review bestätigt vor allem den kurzfristigen Nutzen der KVT. Wir wissen immer noch relativ wenig darüber, inwieweit dieser Nutzen mittel- bis längerfristig anhält.

Was können KVT-Therapeuten aus diesen Erkenntnissen lernen?

KVT-Therapeuten erhalten im Review Bestätigung bezüglich der Vorteile ihrer Therapiemethode im Vergleich zu keiner Behandlung.  KVT kann auf verschiedenen Wegen stattfinden, z. B. über kurze oder längere Behandlungszeiträume hinweg, durch Einzelarbeit oder Gruppensitzungen mit Kindern und Jugendlichen oder durch die Einbeziehung der Eltern in die Therapie. Wichtig ist, dass wir keine eindeutige Evidenz dafür gefunden haben, dass eine bestimmte Art der KVT-Behandlung wirksamer ist als eine andere.  Eine besondere Herausforderung für Therapeuten ist der sehr begrenzte Zugang zu KVT für Kinder und Jugendliche mit Angststörungen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Praktizierende relativ kurze Behandlungen durchführen können, ohne dass dies negative Auswirkungen auf die kurzfristigen Ergebnisse hat.

Dennoch dürfen  KVT-Praktizierende nicht selbstgefällig werden. Der Review legt nahe, dass sich nur etwa die Hälfte der Kinder und Jugendlichen nach einer Intervention mit kognitiver Verhaltenstherapie von ihrer primären Angststörung erholt. Das bedeutet, dass sich die andere Hälfte nicht erholt.  Als Wissenschaftler müssen wir uns jetzt darauf konzentrieren, herauszufinden, wie wir die Erfolgsraten verbessern können und was diejenigen Kinder und Jugendlichen brauchen, die nicht von den gegenwärtigen KVT-Interventionen profitieren,.

Was können Eltern und Betreuer von Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen aus diesem Review lernen?

Auch für Eltern und Betreuer ist es eine gute Nachricht, dass inzwischen viele Studien die KVT untersucht und ausgewertet haben. Der Review zeigt, dass die KVT bei vielen Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen gut funktioniert.  Es ist jedoch genauso wichtig, dass Eltern und Betreuer sich bewusst sind, dass nicht alle Kinder und Jugendliche von der KVT profitieren und dass einige möglicherweise andere Formen von Unterstützung benötigen.

Das Ausmaß, in dem Eltern an KVT-Programmen für Kinder und Jugendliche beteiligt sind, ist sehr unterschiedlich - von wenig bis gar keiner Beteiligung bis hin zu eltern-zentrierten Ansätzen, in denen Therapeuten die Eltern dabei unterstützen, KVT-Fähigkeiten und -Strategien im täglichen Leben ihrer Kinder anzuwenden. Wir haben keine Evidenz dafür gefunden, dass eine bestimmte Methode der KVT durchweg besser wäre als eine andere. Es überrascht auch nicht, dass der Ansatz, Eltern mit in die Therapie einzubeziehen, typischerweise mit Kindern im Grund- und Vorschulalter getestet wurde und nicht mit Teenagern.

Die globale Pandemie erzeugt Sorgen um eine Zunahme von Angstzuständen von Kindern und Jugendlichen - was kann uns dieser Review über die Rolle der KVT als Behandlung in diesen außergewöhnlichen Zeiten sagen?

Schon vor der Pandemie waren Angststörungen unter Kindern und Jugendlichen weit verbreitet, mit der Sorge um steigende Prävalenzraten, insbesondere bei Jugendlichen. Die Pandemie hat diese Besorgnis noch verstärkt. Vor der Pandemie war es schon so, dass nur eine kleine Minderheit von Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen überhaupt Zugang zur KVT hatte. Meine Vermutung ist nun, dass die Pandemie dazu geführt hat, dass noch weniger Kinder die KVT in Anspruch nehmen können, obwohl sie von der Therapie profitieren könnten. Deshalb ist es umso wichtiger eine größtmögliche Effizienz der KVT sicherzustellen, sodass Kinder und Jugendliche Zugang zu einer wirksamen Behandlung haben, sollten sie diese benötigen. Die Sitzungszeiten einer Behandlung zu reduzieren oder die Sitzungen online laufen zu lassen sind zwei Möglichkeiten, die Behandlungseffizienz zu verbessern. Der Review deutet darauf hin, dass eine KVT, deren Dauer weniger als 10 Stunden beträgt, ähnliche Ergebnisse erzielen kann wie viel längere Behandlungenszeiträume – was ermutigend ist.  Online-Behandlungen zu bewerten war nicht Teil dieses Reviews, aber es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass auch die Online-KVT bei Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen wirksam ist.