Methylphenidat bei Kindern mit ADHS

Schreibtafel, auf der ADHS geschrieben steht und auf der Medikamente liegen

Eine umfassende Aktualisierung des Cochrane Reviews zum Nutzen und Schaden von Methylphenidat (Ritalin® u.a.) bei Kindern mit ADHS unterstreicht den dringenden Bedarf an qualitativ hochwertigen, großen randomisierten klinischen Studien (RCTs), die längere Zeiträume erfassen. Denn trotz mehr als 200 eingeschlossener Studien und 50 Jahren Forschung fehlen Daten für eine angemessene Nutzen-Schaden-Abwägung.

Etwa fünf Prozent aller Kinder in Deutschland erhalten die Diagnose „Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“; Jungen etwa doppelt so oft wie Mädchen.

Eine ausgeprägte ADHS kann das Leben und den Alltag des betroffenen Kindes und seiner Eltern und Geschwister enorm beeinträchtigen. Unaufmerksames, impulsives und hyperaktives Verhalten führen bei den Betroffenen sowohl in der Schule als auch Zuhause zu Konflikten. Eine ADHS-Diagnose muss sehr sorgfältig gestellt werden. Entscheidend ist nicht zuletzt, wie stark die Belastung für alle Beteiligten ist.

Für Kinder mit ausgeprägter ADHS kommen Medikamente und Psychotherapie in Frage. Medikamente sollten dabei immer im Rahmen einer Gesamtbehandlungsstrategie (zusätzlich zu psychotherapeutischen und pädagogischen Maßnahmen) eingesetzt werden.

Das am besten erprobte Mittel ist Methylphenidat (unter anderem enthalten in Ritalin®), das es in Form von kurz wirksamen (Wirkung setzt schnell ein und hält bis 4 Stunden an) und lang wirksamen Präparaten (wirken bis 12 Stunden) gibt.

Die dänische Cochrane Developmental, Psychosocial and Learning Problems Group konnte für ihre Review-Aktualisierung 29 zusätzliche Studien einschließen, insgesamt 212 Studien mit 16.302 Kindern. Die meisten Studien waren recht klein, mit durchschnittlich 70 Teilnehmenden pro Studie, die im Mittel 10 Jahre alt waren. In der Mehrzahl waren die Studien kurz (häufig ein Monat), die längste lief über 14 Monate. Es wurden verschiedenste ADHS-Symptomskalen verwendet, anhand derer Eltern oder Lehrer*innen das Verhalten des Kindes beurteilten.

Die Autor*innen wählten für ihre Metaanalyse eine ADHS-Skala, die auf Lehrerberichten basiert, und kamen für diese Zielgröße auf Basis von 21 RCTs mit 1728 Teilnehmenden zu dem Schluss, dass Methylphenidat die Symptome moderat und spürbar lindern könnte. Das bedeutet: Die Hyperaktivität lässt nach, Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und das Verhalten insgesamt verbessern sich. Allerdings ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz aus einer Reihe von Gründen unklar. So war in den Studien beispielsweise die Verblindung nicht gesichert:  Methylphenidat ist an seinen typischen Nebenwirkungen erkennbar, man merkt also, ob man den Wirkstoff oder ein Placebo eingenommen hat. Zudem berichteten einige Studien andere Endpunkte als ursprünglich geplant und die Ergebnisse zwischen den Studien waren teilweise recht uneinheitlich.

Und es gibt keine Daten dazu, wie die betroffenen Kinder selbst ihre Lebensqualität beurteilen.

Entscheidend ist jedoch, dass es für eine angemessene Nutzen-Schaden-Abwägung nicht genug Daten zu unerwünschten Wirkungen über längere Zeiträume gibt: Zwar wurden in den RCTs keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen berichtet, wohl aber nicht schwerwiegende wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust oder Bauchschmerzen. Problematisch ist zudem, dass unerwünschte Wirkungen in den Studien oft  gar nicht ausreichend berichtet wurden. Auch die Langzeitverträglichkeit des Mittels ist nicht hinreichend bekannt, da Erfahrungen aus klinischen Studien nur für einen Behandlungszeitraum von bis zu 14 Monaten vorliegen.

Um speziell die unerwünschten Wirkungen zu erforschen, hatte die Cochrane-Gruppe im Jahr 2018 einen Review erstellt, in den nicht-randomisierte Studien eingeschlossen wurden.

Zum Review "Methylphenidat für Kinder und Jugendliche mit Aufmerksamkeitsdefizit‐Hyperaktivitäts‐Syndrom (ADHS)"

Cochrane Reviews zum Einsatz von Methylphenidat bei Erwachsenen:

Extended-release methylphenidate for attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) in adults

Immediate release methylphenidate for attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) in adults