Lässt sich Dengue-Fieber durch das Aussetzen weiterer Stechmücken bekämpfen?

Aedes-Mücke

Vermutlich ja, so das Ergebnis eines aktuellen Cochrane Reviews. Bei der darin untersuchten Strategie zur Reduzierung der von Mücken übertragenen tropischen Viruserkrankung, die sich allmählich auch in Europa breit macht,  spielt eine hoch interessante Bakterienart eine Schlüsselrolle.

Dengue ist eine durch Mücken übertragene virale Infektionskrankheit, die in über 100 Ländern verbreitet ist. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung – knapp 4 Milliarden Menschen – lebt in Risikogebieten. Schätzungen zufolge kommt es Jahr für Jahr zu 400 Millionen Infektionen. Die meisten davon verlaufen zwar mild, aber 1 von 20 Menschen entwickelt eine schwere Form von Dengue. Mehr als 20.000 Infizierte, die meisten davon Kinder, sterben Jahr für Jahr daran. 

Die Verhinderung der Ausbreitung des Dengue-Virus ist daher von großer Bedeutung. Ein entscheidender Ansatzpunkt dafür sind die Überträger des Dengue-Virus, Stechmücken der Gattung Aedes, insbesondere die Gelbfiebermücke Aedes aegypti und die sich auch in Europa ausbreitende Asiatische Tigermücke Aedes albopictus. Diese Mücken übertragen neben Dengue auch andere gefährliche Viruskrankheiten wie Gelbfieber, Zika und Chikungunya. Weil sich sich Aedes-Mücken im Zuge des Klimawandels auch in Europa ausbreiten, kommt es auch hier inzwischen zu lokalen Übertragungen von Dengue.

Die Idee, die Mückendichte durch Insektizide oder das Austrocknen ihrer Brutgewässer zu reduzieren, hat sich in der Praxis nur bedingt bewährt. Umso interessanter ist ein recht neuer Ansatz, in dem das vor fast genau 100 Jahren entdeckte Bakterium Wolbachia pipientis eine Schlüsselrolle spielt, das nur in Insekten und einigen anderen Wirbellosen vorkommt. Wolbachia lebt in den Zellen seines Wirts und schädigt diesen in der Regel kaum. Der Knackpunkt: Mit bestimmten Stämmen von Wolbachia infizierte Stechmücken sind weitgehend immun gegen Dengue- und andere Viren, dadurch sinkt auch beim Stechen die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung auf den Menschen. Diesen Effekt möchte man nutzen, indem man künstlich mit Wolbachia infizierte Mücken aussetzt - in der Hoffnung, dass sich das Bakterium in der gesamten Mückenpopulation ausbreitet. 

Wie gut diese zunächst im Labor untersuchte Methode im wirklichen Leben funktioniert und ob dies auch tatsächlich zu weniger Dengue-Infektionen bei den Menschen im entsprechenden Gebiet führt , ist die Frage eines kürzlich erschienenen Cochrane Reviews. Die systematische Suche nach randomisierten kontrollierten Studien „aus freier Wildbahn“ ergab lediglich eine einzige abgeschlossene, dafür aber gut gemachte Studie aus Indonesien. Die Autor*innen des Reviews fanden zudem zwei weitere, noch nicht abgeschlossene Studien. Die  indonesische Studie folgte einem sogenannten cluster-randomisierten Design: ein ca. 26 km2 großes Gebiet mit mehr als 300.000 Einwohner*innen wurde in 24 kleinere, rund einen Quadratkilometer große Parzellen, die geografisch voneinander abgegrenzt waren, aufgeteilt, die Cluster. Nach dem Zufallsprinzip wurden in zwölf dieser Parzellen mit Wolbachia infizierte Mücken ausgesetzt, die zwölf anderen Areale dienten als Kontrolle, in denen nichts weiter unternommen wurde. 

In den Gebieten, in denen über drei Jahre hinweg infizierte Mücken freigesetzt wurden, gelang es, die Rate bakteriell infizierter Mücken von wenigen Prozent auf rund 96 Prozent der gesamten Mückenpopulation zu erhöhen. Und davon profitierten wie erhofft auch die Menschen in diesen Gebieten: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen in diesen Gebieten an Dengue erkrankten, war um beeindruckende 77 Prozent niedriger als bei Menschen in Gebieten ohne Freisetzung solcher Mücken (moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nach GRADE).

Die Ergebnisse machen Mut und neugierig auf die Ergebnisse der noch ausstehenden Studien. Die Cochrane Autor*innen geben aber zu bedenken: Die Effektivität der Wolbachia-Methode zur Vektorkontrolle könnte von lokalen Gegebenheiten abhängen, etwa von Faktoren wie den Klimabedingungen, der Verbreitung von Dengue-Infektionen, bereits vorhandenen Strategien zur Vektorkontrolle und die Akzeptanz dieser Methode in der lokalen Bevölkerung. Insofern sind die Ergebnisse nicht unbedingt auf andere Dengue-Gebiete übertragbar.


Zum Review Wolbachia‐tragende Aedes‐Mücken zur Prävention von Dengue‐Infektionen