Kann Desmopressin Kindern gegen Bettnässen helfen?

Rückenansicht eines Vorschulkindes, das mit nasser Hose im Bett liegt

Nächtliches Einnässen ist für betroffene Kinder und ihre Familien oft belastend. Es kann zu Scham und Hänseleien führen. Eine erfolgreiche Behandlung stärkt das Selbstwertgefühl der Kinder. Ein Cochrane Review hat die Studienlage zum Medikament Desmopressin zusammengefasst.

Enuresis, auch bekannt als Bettnässen, bezeichnet das unwillkürliche Einnässen während des Schlafs bei Kindern, die in der Regel bereits trocken sein sollten – also ab einem Alter von fünf Jahren. Es betrifft bis zu 20 % der fünfjährigen Kinder, bei den Siebenjährigen sind es noch rund 7 %. Jungen sind dabei häufiger betroffen als Mädchen. In vielen Fällen erledigt sich das Problem mit der Zeit von selbst.

Zur Behandlung von Bettnässen kommen in erster Linie in Betracht: 
•    die apparativ unterstützte Verhaltenstherapie („Alarmtherapie“) und
•    die Gabe des Medikaments Desmopressin. 

Vor jeder speziellen Therapie sollten jedoch zunächst einfache Basismaßnahmen ergriffen werden. Dazu gehört ein strukturiertes Trinkprotokoll, bei dem die Haupttrinkmengen in die Vormittags- und frühen Nachmittagsstunden verlegt werden. Außerdem ist eine ausführliche Beratung durch die Kinderärztin oder den Kinderarzt zu regelmäßigen Toilettengängen und Stuhlregulation wichtig. Zeigen diese Schritte keinen ausreichenden Erfolg, kommen eine Alarmtherapie oder das Medikament Desmopressin in Frage.

Bei der apparativen Verhaltenstherapie kommt ein elektronisches Wecksystem – wie etwa Klingelhöschen oder Klingelmatten – zum Einsatz. Sobald der integrierte Sensor Feuchtigkeit registriert, wird ein Wecksignal ausgelöst, der das Kind aufweckt, damit es auf die Toilette gehen kann. Ein möglicher Nachteil ist, dass tief schlafende Kinder den Alarm möglicherweise nicht bemerken oder dass das Kind und die Familie durch die Schlafunterbrechungen am nächsten Tag müde sind.

Desmopressin wirkt wie das körpereigene Hormon Vasopressin, das dafür sorgt, dass der Körper den Urin stärker konzentriert und dadurch weniger Urin ausscheidet.

Der Vergleich von Desmopressin mit Placebo in 16 Studien zeigte, dass Kinder unter Desmopressin häufiger trockene Nächte pro Woche hatten. Aufgrund deutlicher methodischer Schwächen in einigen dieser Studien wurde die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz auf „niedrig“ herabgestuft. Insgesamt ließ sich jedoch eine deutliche Reduktion nächtlicher Einnässungen feststellen – solange das Medikament verabreicht wurde. Auch die Wahrscheinlichkeit, vierzehn aufeinanderfolgende trockene Nächte zu erreichen, war bei Kindern, die Desmopressin erhielten, etwa dreimal so hoch wie in der Placebogruppe (11 Studien; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unerwünschte Wirkungen traten in den Studien unter Desmopressin nur minimal häufiger auf als unter Placebo. Allerdings wurden Fälle von Hyponatriämie – einer Elektrolytstörung mit erniedrigtem Natriumspiegel im Blut – sowie ein Krampfanfall berichtet. Um eine seltene, aber schwerwiegende Wasserintoxikation zu vermeiden, ist es wichtig, die abendliche Trinkmenge auf maximal 250 Milliliter zu begrenzen und nachts nichts zu trinken.

Der Vergleich von Desmopressin mit der Alarmtherapie zeigt: Beide Methoden führen möglicherweise zu einer ähnlichen Reduktion nasser Nächte pro Woche, wobei die Evidenzlage unsicher ist. Auch beim Erreichen von 14 trockenen Nächten in Folge besteht möglicherweise kein wesentlicher Unterschied. Es gibt Hinweise darauf, dass die Alarmtherapie im Vergleich zu Desmopressin nach Beendigung der Behandlung nachhaltigere Effekte zeigt.

Im Vergleich zur Monotherapie mit Desmopressin führt die Kombination aus Desmopressin und Alarmtherapie wahrscheinlich zu einer weiteren, leichten Erhöhung der Anzahl trockener Nächte pro Woche.

Die deutsche Leitlinie empfiehlt zuerst die Alarmtherapie. Zeigt sie keinen Effekt oder ist sie für die Familie nicht praktikabel, kann Desmopressin angewendet werden. Bleiben beide Ansätze erfolglos, kann eine Kombination eine weitere Option sein. Welche Option letztlich gewählt wird, sollten Eltern nach Aufklärung gemeinsam mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt individuell entscheiden.

Zur deutschen Kurzzusammenfassung des Reviews