Fraglicher Nutzen des aktiven Sehtrainings

Kind am Laptop


Wissenschaftler*innen des Instituts für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg haben im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die Frage untersucht, ob Kinder und Jugendliche mit entwicklungsbedingten Sehstörungen von einem aktiven Sehtraining profitieren.

Im Rahmen der Reihe ThemenCheck Medizin des IQWiG können interessierte Einzelpersonen Vorschläge für die Bewertung von medizinischen Verfahren und Technologien einreichen. In einem zweistufigen Auswahlverfahren, an dem auch Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind, werden aus allen eingereichten Vorschlägen jedes Jahr bis zu fünf neue Themen ausgewählt, die für die Versorgung von Patientinnen und Patienten von besonderer Bedeutung sind. Mit der Erstellung des jeweiligen HTA-Berichts (Health Technology Assessment) beauftragt das IQWiG dann unabhängige Wissenschaftler*innen. 

In diesem Fall erging der Forschungsauftrag an ein Team unter Federführung von Christine Schmucker vom Institut für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg, dem akademischen Partner von Cochrane Deutschland. 

Entwicklungsbedingte Sehstörungen und aktives Sehtraining

Das scharfe und räumliche Sehen entwickelt sich bei Kindern bis zum vollendeten 9. Lebensjahr. Verschiedene entwicklungsbedingte Ursachen wie z. B. Schielen oder Kurzsichtigkeit können dazu führen, dass sich das Sehvermögen nicht richtig ausbildet. Aktives Augentraining soll unterschiedliche Teilaspekte des Sehens fördern und so das Sehen insgesamt verbessern. Dabei geht es beispielsweise um Fähigkeiten wie Fixieren, Scharfstellen, Augenbewegungen und visuelle Wahrnehmung. Das Training kann unter professioneller Anleitung oder auch zu Hause oder an einem anderen Ort wie der Schule durchgeführt werden.

Kaum Nutzen des Trainings

Schmucker und Kollegen fanden zwar 17 relevante Studien, allerdings untersuchten diese allesamt digitale Sehtrainingsmaßnahmen gegen Schwachsichtigkeit (Amblyopie). Die Ergebnisse erlauben keine eindeutige Aussage zum Nutzen eines aktiven Sehtrainings bei Kindern und Jugendlichen mit Schwachsichtigkeit. Zwar zeigen einzelne Studien, dass mit digitalem Training die Sehschärfe des schwächeren Auges bei Kindern mit Schwachsichtigkeit verbessert werden kann – der nachgewiesene Effekt war aber so klein, dass er für die Betroffenen keinen spürbaren Vorteil hatte. Für nicht digitale Trainings liegen keine Studienergebnisse vor.
„Leider lässt die vorhandene Studienlage keine abschließende Aussage zum Nutzen des aktiven Sehtrainings bei Kindern und Jugendlichen mit Amblyopie zu“, kommentiert Schmucker. „Neben der oft mangelnden Therapietreue muss man bedenken, dass die Behandlungsdauer in den Studien nur auf einige Wochen angesetzt war und nicht die Ergebnisse einer oft erforderlichen langjährigen Amblyopiebehandlung reflektieren.“ Künftige Studien müssten zudem klären, ob interessantere, gegebenenfalls auch nicht digitale Spiele bzw. Sehtrainingsmaßnahmen zu einer besseren Therapietreue führen und damit möglicherweise auch einen eindeutigeren Nutzen für die Patient*innen haben. Dies könnte vor allem bei älteren Kindern der Fall sein, so Schmucker.

Mehr Infos finden Sie in der Pressemitteilung des IQWiG.