Cochrane Review zum Nutzen von Masken gegen Atemwegsinfektionen

Frau mit OP-Maske

Ein aktualisierter Cochrane Review fasst die noch immer recht eingeschränkte Evidenz aus randomisierten Studien für Mund-Nase-Masken und andere Maßnahmen zur Reduzierung der Übertragung von Atemwegsviren zusammen.

Das wichtigste vorab, um allzu weitreichenden Deutungen vorzubeugen, wie sie bereits in den sozialen Medien kursieren: Diese vierte Aktualisierung des Cochrane Reviews „Physikalische Interventionen zur Unterbrechung oder Verringerung der Ausbreitung von Atemwegsviren“ bestätigt im Wesentlichen die Ergebnisse der letzten Fassung vom November 2020. Der Review umfasst nun insgesamt 78 Studien mit einem randomisierten und kontrollierten Design (RCTs bzw. Cluster-RCTs) zu einer ganzen Reihe nicht-pharmakologischer Maßnahmen. Die meisten Studien sind älteren Datums und beziehen sich auf die Übertragung von Influenza- und anderen Erkältungsviren, Studien aus der Corona-Pandemie bleiben in der Minderzahl.

Zum Nutzen von Gesichtsmasken kamen zu den neun Studien der letzten Version lediglich drei weitere Studien hinzu, darunter zwei bereits ausgiebig diskutierte Studien mit direktem Bezug zu COVID-19: die DANMASK-19-Studie  aus Dänemark, sowie eine Studie von Abaluck et al., durchgeführt in Bangladesch. Durch diese beiden Studien erhalten die Reviewergebnisse  zwar eine höhere Relevanz für die COVID-Pandemie, allerdings ändern sie wenig an den Aussagen des Reviews von 2020. 

Ergebnisse

Für den Masken-Teil des Reviews untersuchten die Autor*innen als relevantes Endergebnis (Endpunkt) die Häufigkeit einer grippeähnlichen Erkrankung (influenza-like illness  oder ILI) beziehungsweise einer entsprechenden labor-bestätigten Erkrankung mit Influenza oder COVID-19. Für beide Endpunkte spreche die verfügbare Evidenz aus RCTs für einen geringen oder gar keinen Effekt, so die Autor*innen des Reviews: „Die gepoolten Ergebnisse der RCTs zeigten keine eindeutige Verringerung der Virusinfektionen der Atemwege durch die Verwendung von medizinischen/chirurgischen Masken.“ Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenzgrundlage für diese Ergebnisse schätzen sie dabei nach dem etablierten GRADE-Verfahren als „moderat“ ein (auf einer vierstufigen Skala von „sehr niedrig“ über „niedrig“ und „moderat“ bis „hoch“, mehr Informationen hier). 

Eine weitere Analyse des Reviews fasst Studien zusammen, die den relativen Nutzen von FFP-Masken mit jenem von medizinischen Masken („OP-Masken“) vergleichen. Hier zeigen sich weder für selbst berichtete Atemwegserkrankungen, noch für laborbestätige Infektionen belastbare Unterschiede.

Einschränkungen

 Bei der Interpretation dieser Ergebnisse müsse man allerdings die  Einschränkungen und Fehlerquellen der zugrundeliegenden Studien bedenken, so die Autor*innen.  Dazu zählen:

  • Mängel im Studiendesign
  • unzureichende Aussagekraft einiger Studien, weil diese während Zeiten mit einer geringen Viruszirkulation durchgeführt wurden
  • die nur schwer überprüfbare und vermutlich oft geringe Adhärenz beim Maskentragen, also die Frage, ob die Studienteilnehmenden ihre Masken wirklich regelmäßig und korrekt trugen
  • die Qualität der verwendeten Masken
  • die mögliche Selbstkontamination der Maske mit den Händen sowie ein mangelnder Schutz vor Augenkontakt mit infektiösen Tröpfchen, der ebenfalls zur Ansteckung führen kann
  • ein mögliches Risikokompensationsverhalten durch ein übertriebenes Sicherheitsgefühl

Zu Bedenken ist zudem, dass die meisten Studien im Review sogenannte Public-Health-Interventionen untersuchen. Sie vergleichen also beispielsweise die Bereitstellung von Masken und Informationsmaterial in der Interventionsgruppe mit keiner solchen Bereitstellung in der Kontrollgruppe. Solche Studiendesigns lassen die Möglichkeit offen, dass nicht alle Teilnehmenden in der Interventionsgruppe die angebotenen Masken auch wirklich tragen (mangelnde Adhärenz). Gleichzeitig kann man aus ethischen Gründen Teilnehmenden der Kontrollgruppe auch die Nutzung von Masken nicht verbieten. Beide Faktoren können eigentlich vorhandene Unterschiede verwischen. Dies ist nicht unbedingt ein Nachteil, denn Studien dieser Art sollen oft gerade den Nutzen einer Public-Health-Intervention „im echten Leben“ untersuchen.  Wenn ein solches Studiendesign jedoch keine Belege für einen Nutzen erbringt, widerlegt dies keineswegs, dass eine konsequent und korrekt getragene Gesichtsmaske im Einzelfall einen bedeutsamen Effekt auf das individuelle Infektionsrisiko haben könnte.  Auch die Frage, ob Masken primär den Träger selbst oder seine Mitmenschen schützen, lässt sich aus der vorliegenden Evidenz kaum beantworten.

Nebenwirkungen und Studienlage

Mögliche unerwünschte Wirkungen des Maskentragens wurden nur in wenigen Studien des Reviews erfasst, so dass sich keine gesicherten Aussagen darüber treffen lassen. Die Autor*innen bemängeln insgesamt einen frustrierenden Mangel an aussagekräftigen Studien.


Zum Review Physikalische Interventionen zur Unterbrechung oder Verringerung der Ausbreitung von Atemwegsviren

Stellungnahme von Karla Soares-Weiser, Editor-in-Chief der Cochrane Library vom 10.3.2023

Editorial der Cochrane Library zur letzten Fassung des Reviews vom November 2020