Antikörper für die Therapie einer RSV-Infektion bei Säuglingen

Kind mit RSV-Infektion im Krankenhaus

Währen der letzten Erkältungssaison verlief die Infektionswelle mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) unter Säuglingen und Kleinkindern besonders schwer, nun steht die nächste winterliche RSV-Saison bevor. Derzeit wird viel über eine vorbeugende Gabe von Antikörpern für besonders gefährdete Säuglinge oder eine Impfung der Mutter in der Schwangerschaft diskutiert.  Ob solche Antikörper auch bereits schwer an RSV erkrankten Kindern helfen können, untersucht ein kürzlich aktualisierter Cochrane Review. 

Infektionen durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) betreffen in erster Linie die Atemwege. Während Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene meist nur leichte Erkältungssymptome entwickeln, haben Kinder unter zwei Jahren ein erhöhtes Risiko für schwere Lungenentzündungen. Tatsächlich sind viele Krankenhauseinweisungen von Säuglingen und Neugeborenen auf RSV-Infektionen zurückzuführen. Besonders gefährdet sind Frühgeborene und Kinder mit bestimmten Vorerkrankungen, etwa einem angeborenen Herzfehler.

Seit längerem gibt es bereits Medikamente zur Prävention der RSV-Erkrankung auf Basis im Labor hergestellter Antikörper (z. B. Palivizumab). Sie hemmen das Eindringen des Virus in die menschliche Zelle und sollen besonders gefährdeten Kindern vorbeugend gegeben werden, um das Risiko einer schweren RSV-Infektion zu senken. 

Für den aktuellen Cochrane Review suchten die Autor*innen nach klinischen Studien der Frage, ob eine passive Immunisierung mit Antikörpern auch eine wirksame Behandlung  für Säuglinge und Kleinkinder sein kann, die bereits so schwer an RSV erkrankt sind, dass sie deshalb ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Neben sogenannten monoklonalen Antikörpern, die gentechnisch im Labor hergestellt werden, berücksichtigte das Cochrane-Team auch Studien zu Mischpräparaten mit Antikörpern, die aus dem Blutplasma von genesenen Spendern gewonnen werden. Die Autor*innen fanden acht relevante Studien mit insgesamt 906 Säuglingen und Kleinkindern. Diese stammten zumeist aus Ländern mit hohem Einkommen. 

Das Ergebnis des Reviews ist jedoch enttäuschend und spricht derzeit nicht für den breiten Einsatz zu Therapiezwecken: So kann auf Basis der aktuellen Studienlage nicht beantwortet werden, ob die Antikörper-Präparate Palivizumab und Motavizumab bzw. RSV-neutralisierende Antikörper aus Spenderplasma die Sterblichkeitsrate bei bereits hospitalisierten Kindern senken (sehr geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nach GRADE). Grund sind erhebliche Verzerrungsrisiken (beispielsweise aufgrund selektiver Berichterstattung) der Studien und unzureichende Präzision aufgrund sehr kleiner Stichproben. Auf die Länge des Krankenhausaufenthalts haben die Antikörper wahrscheinlich wenig bis keinen Einfluss (basierend auf 6 Studien, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Die verfügbare Evidenz unterstützt also nicht den therapeutischen Einsatz einer passiven Immunisierung nach bestätigter, schwerer  RSV-Infektion. Dafür gibt es jetzt gleich mehrere neue Optionen zur Vorbeugung von RSV-Infektionen. Neben dem bereits seit vielen Jahren zur Vorbeugung verfügbaren Antikörper Palivizumab wurden 2023 drei weitere Präparate zur passiven bzw. aktiven Immunisierung in Deutschland zugelassen (siehe Kasten).  Aktuell liegen jedoch noch nicht für alle Präparate Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) bzw. Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vor. 

„Auch wenn der neu veröffentlichte Cochrane Review keine relevanten Effekte von Antikörpern bei bestehender schwerer RSV-Erkrankung bei Säuglingen und Kleinkindern zeigt: Mit dem neuen Antikörper Nirsevimab und den beiden Impfstoffen gibt es jetzt neue Mittel, die präventiv gegen RSV eingesetzt werden können. Das macht Hoffnung, dass RSV in Zukunft zumindest einen Teil seines Schreckens verlieren könnte “, kommentiert Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland und Mitglied der STIKO am Robert Koch-Institut. Die STIKO beschäftige sich derzeit mit der Bewertung der beiden Impfstoffe . 

Neue Möglichkeiten der Vorbeugung von RSV-Infektionen
In den letzten Monaten wurden drei Präparate (Abrysvo®, Arexvy® und Beyfortus®) zur passiven und aktiven Immunisierung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) auf den deutschen Markt gebracht. 

  • Beyfortus® ist seit Anfang September zur Vorbeugung von RSV-Erkrankungen bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern verfügbar. Das Medikament enthält den monoklonalen Antikörper Nirsevimab, der den Eintritt des Virus in die menschliche Zelle hemmt. Beyfortus® wird  vor Beginn der ersten RSV-Saison der Säuglinge gegeben. Es ist im Gegensatz zu älteren Antikörperpräparaten wie Palivizumab nicht nur für Risikobabies, sondern generell für alle Säuglinge unter acht Monaten zugelassen. Der Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der in Deutschland über die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen entscheidet, hat kürzlich seine bisherigen Therapiehinweis zum RSV-Antikörper Palivizumab um Nirsevimab ergänzt. Darin wird der Einsatz beider Antikörper auf Kinder mit Risiko-Faktoren begrenzt.
  • Arexvy® ist ein kürzlich zugelassener Impfstoff zur aktiven Immunisierung von älteren Menschen. Er enthält als Antigen eine gentechnisch hergestellte, veränderte Version des RSV-spezifischen Fusionsproteins.
  • Auch der eben erst zugelassene Impfstoff Abrysvo® soll vor RSV-assoziierten Erkrankungen der unteren Atemwege schützen. Der Impfstoff ist ebenfalls für Erwachsene ab 60 Jahren vorgesehen, zusätzlich aber auch für Schwangere. Durch die Impfung der Mutter während der Schwangerschaft kommt es zur Übertragung von RSV-neutralisierenden Antikörpern über die Plazenta. Dieser „Nestschutz“ soll die Neugeborenen in den ersten, besonders kritischen Lebensmonaten schützen. 

Zum Review Immunglobulinbehandlung bei hospitalisierten Säuglingen und Kleinkindern mit RSV (Respiratory Synzytial Virus)‐Infektion